Gründerpersönlichkeiten im Fokus

© Leuphana Universität Lüneburg

Gründer:innen können sich gut verkaufen. Die besten Geschäftsideen kommen häufig zu später Stunde. In Start-ups arbeiten nur junge, hippe Leute.

Stimmen diese geläufigen Vorurteile? In der Entrepreneurship-Forschung kommen interdisziplinäre Methoden zusammen, um solche und ähnliche Aussagen zu analysieren. Jakob Weers ist Mitarbeiter am Institut für Management und Organisation an der Leuphana Universität Lüneburg und erzählt uns im Interview, wie er das Thema Entrepreneurship auf wissenschaftlicher Ebene behandelt.


1. Entrepreneurship-Forschung ist ein sehr interdisziplinäres Feld und bezieht methodische Ansätze aus der Volkswirtschaftslehre, der Soziologie, der Psychologie und der Rechtswissenschaft mit ein. Welchen Fokus haben Sie gewählt und warum?

Aufgrund meines Studienhintergrunds in Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie habe ich natürlich auf das Thema Entrepreneurship einen psychologisch geprägten Blick. Das zentrale Individuum, also die Gründerin oder der Gründer, interessiert mich da immer ganz besonders. Und dafür ist die Psychologie als Wissenschaft des menschlichen Erlebens und Verhaltens schon eine sehr gute „Brille“. Um das Phänomen ganz zu erfassen, sind zusätzlich aber sicher auch soziologische, rechtliche und wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven wichtig.

2. Als Wissenschaftler in einem sehr anwendungsorientierten Fachgebiet: Sehen Sie sich auch manchmal als „Unternehmer“ bzw. Gründer?

Eine interessante Frage! Sicherlich gibt es zwischen meiner Tätigkeit und derjenigen von Gründer:innen gewisse Überschneidungen. In der Entwicklung neuer Trainingsformate gehen wir zum Beispiel ganz ähnlich vor, wie das auch Gründer:innen mit Prototypen bzw. MVPs * tun würden: Wir entwickeln Hypothesen und testen diese in Pilotprojekten. Trotz einiger Unterschiede hinsichtlich der Zielsetzung und der Arbeitsweise würde ich mich also zu einem gewissen Grad schon auch als Gründer sehen.

*Anmerkung: „Ein „Minimum Viable Product“ (MVP), definiert über das Produkt/den Service eine Entwicklungsstufe. Auf dieser Entwicklungsstufe ist es zum ersten Mal möglich, dass Produkt/den Service unter realistischen Bedingungen beim Kunden zu testen.“, vgl.: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/minimum-viable-product-mvp-119157

3. Gab es während Ihrer wissenschaftlichen Karriere ein Forschungsergebnis, das sie verwundert hat?

Die Entrepreneurshipforschung hat besonders in den letzten Jahren viele interessante und auf den ersten Blick überraschende Ergebnisse geliefert. Ein gutes Beispiel ist die Forschung zu „Passion“ von Michael Gielnik und Kolleg:innen (Gielnik et al., 2017). Entgegen vorheriger Annahmen zeigen sie, dass man nicht unbedingt Leidenschaft für ein Thema haben muss, um erfolgreich zu gründen. Vielmehr entsteht und steigert sich diese Leidenschaft oft gerade erst dadurch, dass Gründer:innen Einsatz zeigen und Fortschritte machen.

Auch in meinem speziellen Forschungsthema zu Entrepreneurship-Trainings gab es in den letzten Jahren sehr überraschende Erkenntnisse. So zeigte zum Beispiel die Studie von Campos und Kolleg:innen (Campos et al., 2017), dass ein psychologisches Training deutlich stärkere langfristige Effekte auf die unternehmerische Leistung hatte, als ein klassisches „Business Training“ mit rein fachlichem Input.

4. Die Entrepreneurship-Forschung unterstützt auch aktiv Gründer:innen und entwickelt Werkzeuge und Methoden. Was würden Sie potentiellen Gründer:innen empfehlen?

Das lässt sich pauschal schwer beantworten. Ich würde sagen, das kommt sehr auf den Einzelfall und die individuelle Situation der Gründer:innen an. Mein Tipp an Gründer:innen ist es, aktiv auch auf Entrepreneurship-Forscher:innen zuzugehen und sie als Quelle für Informationen und Ratschläge zu sehen. Darüber hinaus bieten viele Universitäten Gründungsberatungen an. Dort können sich Gründer:innen individuell beraten lassen und so von den Erkenntnissen der Entrepreneurship-Forschung profitieren.

5. Welche Rolle kann Entrepreneurship Education spielen, um junge Menschen für Unternehmertum zu begeistern?

Wenn Entrepreneurship Education vernünftig gestaltet ist, kann sie eine sehr wichtige Rolle spielen. Zum einen kann Sie helfen, unternehmerische Kompetenzen zu erwerben und auszubauen. Damit kann sie das Vertrauen in die eigenen unternehmerischen Fähigkeiten stärken. Sie kann auch dazu beitragen herauszufinden, ob der Schritt in die Selbstständigkeit im gegebenen Fall wirklich das Richtige ist.

Diejenigen, die Entrepreneurship Education inhaltlich und konzeptionell vorbereiten, sollten besonders darauf achten, das Angebot handlungsorientiert zu gestalten. Das heißt konkret, dass zum Aufbau unternehmerischer Kompetenz vor allem Möglichkeiten zum Erwerb tatsächlicher unternehmerischer Erfahrungen geschaffen werden müssen. Zum Beispiel dadurch, dass die Teilnehmenden in echten Gründungsprojekten tätig werden.

6. Sie setzen sich in Ihrer täglichen Forschung mit Gründerpersönlichkeiten auseinander und haben gebündeltes Hintergrundwissen durch Ihre Forschung. Gab es schon häufiger Situationen, in denen Sie drauf und dran waren, Ihre akademische Laufbahn zu beenden und selbst zu gründen?

Es gab bislang noch keinen Punkt, an dem es für mich tatsächlich eine echte Option war. Die Forschung und die damit verbundenen Projekte machen mir so viel Freude, dass ich mich derzeit nicht mit einer eigenen Gründung beschäftige. Aber ich würde solch einen Schritt für die Zukunft nicht völlig ausschließen.

7. Sie sind Projektkoordinator für STEP Uganda, die sich der Förderung von unternehmerischer Eigeninitiative verschrieben hat. Was treibt Sie bei dieser Arbeit an?

Wie in vielen Ländern des globalen Südens ist auch in Uganda (Jugend-) Arbeitslosigkeit ein großes Problem. Das von uns und Wissenschaftler:innen aus Uganda entwickelte STEP Training ist eine Möglichkeit, diese Herausforderung anzugehen. In Feldexperimenten mit Trainings- und Kontrollgruppen konnten wir zeigen, dass Teilnehmende dieser Trainings mit größerer Wahrscheinlichkeit unternehmerisch tätig werden und dass sie dabei mehr Arbeitsplätze schaffen als Mitglieder der vergleichbaren Kontrollgruppe.

Die Überzeugung, dass das Training tatsächlich sinnvoll ist und Menschen dabei hilft, eine Lebensgrundlage für sich und ihre Familien zu schaffen, ist meine Hauptmotivation bei dem Projekt. Darüber hinaus arbeite ich mit fantastischen Wissenschaftler:innen und anderen Partner:innen in Uganda zusammen und habe dort völlig neue Perspektiven gewinnen können.

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